Im Jahr 2003 sah die Welt noch ganz anders aus: Wer damals ins Internet schreiben wollte, musste seine Texte mühsam händisch in ein HTML-Gerüst einwickeln. Blogging-Systeme wie WordPress waren ein dynamischer Sprung nach vorne: Im Mittelpunkt stand plötzlich wirklich das Publizieren und nicht mehr die Suche nach der Tastenkombination einer sich schließenden spitzen Klammer.
Seitdem sind zehn Jahre ins Land gegangen und die Webdesign-Welt hat viele Trends kommen und gehen sehen: Flash, Skeuomorphismus oder seit neuestem Flat Design. Doch wie ein Fels in der Internetbrandung blieb eines (fast) immer gleich: der WordPress-Admin-Bereich.
Seit der Version 2.7, die 2008 veröffentlicht wurde, hat sich strukturell und grafisch kaum etwas verändert. Wir alle kennen die Ansicht: Eine horizontale Leiste mit Schnell-Navigation und einer Begrüßung, links die Navigation, deren Buttons sich bei einem größeren Blog mit vielen Plugins schon mächtig nach unten ziehen kann. Nur die blauen Links bringen Abwechslung in das Grau in Grau.
Spätestens mit den Custom Posts Types hat sich WordPress zu einem ausgewachsenen Content-Management-System gemausert – auf Kosten der reinen Blogging-Funktion. In dem Bereich scheinen die Neuerungen von anderen Diensten wie Tumblr zu kommen. Tumblr hat viel vereinfacht: Ein reduziertes Backend mit großen und wenigen Buttons die Hürden weiter senken. In die gleiche Kerbe schlägt das mit vielen Vorschusslorbeeren ausgestattete Ghost, ein Projekt eines ehemaligen WordPress-Core-Mitarbeiters. Mit dem Spruch „Just a blogging platform“ soll gezeigt werden, dass Ghost das werden soll, was WordPress in den Augen der Macher nicht mehr ist: Eine Plattform zum Bloggen – nicht mehr und nicht weniger.
Radikale Änderungen in WordPress Version 3.8
Diese Konkurrenz blieb natürlich auch den WordPress-Machern nicht verborgen und für die kommende WordPress Version 3.8 sind umfangreiche Updates im Adminbereich angekündigt. Diese Baustellen stehen als sogenannte Features bereits zum Teil als Plugins zur Verfügung. Das hat Vorteile: Es verspricht ein gutes User-Testing, selbst wenn nur ein Bruchteil aller WordPress-Benutzer die Plugins installieren. Schließlich behauptet Usability-Guru Jakob Nielsen, dass schon fünf Personen genügen, um die meisten Fehler zu vermeiden. Gerade gibt es 13 solcher Features, die in WordPress 3.8 einfließen sollen – zumindest, falls sie bis dahin ausgereift sind.
Die gesamte Entwicklung kann im Blog make.wordpress.org verfolgt werden, wo du dich in den Kommentaren auch in die Diskussion einmischen und die zukünftigen Versionen beeinflussen kannst. Im folgenden sollen drei Bereiche genauer betrachtet werden, die sich mit Version 3.8 erheblich ändern sollen:
- Flat Design für den Admin-Bereich
- Umstrukturierung des Dashboards
- Front-End-Editor
Flat Design für den Admin-Bereich
Die auf den ersten Blick offensichtlichste Veränderung, zeigt das Plugin MP6, das Matt Mullenweg 2013 bei seinen jährlichen „State of the Word“-Rede ab Minute 43 vorstellte: Es verwandelt das Backend mit einem Klick in ein Flat Design.
Die Buttons an der linken Leisten verschwinden, stattdessen gibt es eine helle Schrift auf dunklem Hintergrund. Im Hauptbereich heben sich weiße Boxen von einem grauen Hintergrund ab.
Das sieht zweifelsohne gut aus, an den Funktionalitäten ändert sich allerdings nichts. Dafür braucht es ein überarbeitetes Dashboard.
Umstrukturierung des Dashboards
Das bisherige Dashboard hat meiner Meinung nach eine Überarbeitung dringend nötig. Ich persönlich benutze die angebotenen Möglichkeiten nie und es kostet mich dadurch immer mindesten einen Klick mehr, um einen Blogpost zu publizieren. Ich bin damit nicht alleine.
Das WordPress-Plugin „Dashboard“ zeigt, wie „Armaturenbrett“ in Zukunft aussehen soll – ein einem Wort: aufgeräumt. Das Herzstück ist eine Art Stream aus Kommentaren, geplanten und zuletzt veröffentlichen Texten. WordPress-Designer Joen Asmussen sagt dazu in einem Interview bei WordPress Tavern:
„As you may have spotted in the mockups, one ambition for the project is to lay the foundations for an “activity stream”, a list of events that happen to your blog. I can think of nothing more appropriate to show in any dashboard than what’s been happening.“
Die „Quick Draft“-Box hat nur mehr eine Eingabefeld – ein Element, bei denen sich die Entwickler an Diensten wie Tumblr orientiert haben, die ja sehr gut darin sind, die Eingabefelder zu reduzieren und den Weg von einer Idee zur Veröffentlichung möglichst kurz zu halten. Allerdings bleibt so ein Eintrag weiterhin ein Entwurf und kann nicht direkt aus dem Dashboard veröffentlicht werden.
Die größten Platz-Einsparungen gab es dadurch, dass die „Other WordPress News“, „WordPress-Blog“ und „Plugins“ zu „WordPress News“ zusammengefasst werden. Eine sinnvolle Idee.
Insgesamt gefällt mir die neue Struktur des Dashboards sehr gut, denn bisher gibt es auf der Startseite des Backends noch viel Luft nach oben.
Front-End-Editor
Es ist ja fast ein wenig paradox: Viele von uns geben sich große Mühe, unsere Webseiten möglichst schön zu gestalten. Die Beiträge dafür schreiben wir allerdings in einem weniger schönen Ambiente. Was liegt da näher, als ein Front-End-Editor? Einen „What you see is what you get“-Editor wie er im Buche steht, kannst du mit dem Plugin, das „WordPress Front-end Editor“ ausprobieren. Ein „Bearbeiten“-Link öffnet dann die Seite im Bearbeitungsmodus. Am unteren Rand des Bildschirms verläuft eine Leiste, über du Bilder hochladen, Kategorien und Schlagworte vergeben und speichern kannst.
Wie das neue Dashboard macht der Front-End-Editor auch Boden gut gegenüber anderen Blogging-Plattformen wie Tumblr oder Ghost, das sich an Leute richtet, die in erster Linie veröffentlichen wollen. Anders sieht es aus, wenn WordPress als Content-Management-System für komplexere Webseiten genutzt wird. Diese grundsätzliche Kritik manifestiert sich in einem Satz des Webdesigners Mark Boulton: „Content is more than you can see.“
Benutzt du also viele Taxonomien, um eine effektive Content Strategy zu gewährleisten, macht ein Front-End-Editor nicht mehr viel Sinn. Dieses Problem ist auch Janneke Van Dorpe bewusst, die sich für die Entwicklung des Editors verantwortlich zeichnet. In den Kommentaren zum neuen Editor schreibt sie:
„The thing about front-end editing is that, if the site if less blogging oriented, and WordPress is more used as a CMS, the front-end editor looses its magic. If there’s almost no content, and lot of fields in the modal, it’s pointless.“
Fazit
Der Adminbereich ist in die Jahre gekommen: Eine Überarbeitung hat es seit fünf Jahren nicht gegeben – in der Internetzeitrechnung eine halbe Ewigkeit. Die geplanten Neuerungen sind deshalb notwendig und erwünscht: Das Auge schreibt ja schließlich mit. Mit dem Flat-Design-Ansatz ist das WordPress-Backend dann endlich wieder auf Augenhöhe mit modernem Webdesign und ein entrümpeltes Dashboard kann der Produktivität nur gut tun. Die größte Veränderung ist der Front-End-Editor, weil er eine Funktionalität hinzufügt, die es so zuvor noch nie gab – und sich von vielen gewünscht wurde. Die Zielgruppe sind Blogger, weniger die Betreiber komplexer Webseiten.
WordPress folgt mit einem radikalen Redesign des User Interfaces Microsoft und Apple, die mit Windows 8 bzw. iOS7 auf Flat Design umgestellt haben – und sich damit nicht nur Freunde gemacht haben. Im Unterschied zu den beiden Firmen hält WordPress als Open Source Software das neue Design nicht bis zum Stichtag unter Verschluss, um die User bereits in der Entstehungsphase einzubinden und kann so hoffentlich große Schnitzer vermeiden.
Was hältst du davon?
Das wichtigste bei all diesen Updates ist das Feedback von Usern: Findest du, dass der WordPress-Adminbereich die Schönheitsoperation nötig hat oder bist du mit dem bisherigen Backend zufrieden? Wo sollte der Adminbereich zusätzlich verbessert werden? Hast du die Plugins zu den Features bereits ausprobiert?
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